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Neues Pflegezeit-Modell von Familien-ministerin Schröder: ungerecht und unrealistisch

Das von Familienministerin Kristina Schröder vorgeschlagene neue Pflegezeit-Modell wird nicht grundlos heftig kritisiert. Es belastet die Wirtschaft zu stark, drängt Pflegende – meist Frauen – aus ihrem Beruf und wird den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen nicht gerecht.

Die Wirtschaftsverbände kamen in eine schwierige Lage, als sie mit dem Vorschlag der Familienministerin konfrontiert wurden. Wenn man ihn zum ersten Mal hört, klingt er wie eine große Verbesserung für Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, und für ihre berufstätigen Angehörigen. Auch als Vertreter der Wirtschaft und von Arbeitgebern will man schließlich nicht als unsozial gelten. Aber hier geht es nicht einfach darum, dass die Wirtschaft gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen soll. Die Lasten sind hier willkürlich und ungerecht verteilt: Besonders für kleine Firmen ist es eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung, wenn eine Angestellte nur noch halbtags zur Verfügung steht, aber dennoch drei Viertel des Lohnes bekommen soll. Betriebe, die Frauen über 50 beschäftigen, würden weit mehr unter der neuen Regelung leiden, als Betriebe, die viele junge männliche Angestellte haben. Die Regelung würde willkürlich einzelne Firmen sehr stark treffen, andere gar nicht.

Auch innerhalb der Familien würden die Lasten dadurch ungerechter verteilt. Trotz aller gesellschaftlichen Entwicklungen ist es immer noch so, dass sich in den meisten Fällen ein weibliches Familienmitglied um den Pflegebedürftigen kümmert. Selbstverständlich wird niemand dazu gezwungen, aber in unserer Gesellschaft fühlen sich Frauen immer noch eher dazu verpflichtet, ihre Arbeit (teilweise) aufzugeben, wenn jemand auf Hilfe angewiesen ist. In der Praxis würde das neue Pflegezeit-Modell dazu führen, dass Frauen ihre Arbeitszeit reduzieren. Auch wenn sie in den ersten zwei Jahren noch drei Viertel ihres Lohnes bekommen, beeinträchtigt das ihre Karrierechancen sehr stark: Sie werden zu einer Belastung für ihren Arbeitgeber. Die Aussicht, ihnen möglicherweise eine Pflegezeit finanzieren zu müssen, macht Frauen auf dem Arbeitsmarkt weniger attraktiv. Die Chance, dass zwei Jahre ausreichen, ist ebenfalls gering: Im Durchschnitt sind Pflegebedürftige neun Jahre lang auf Hilfe angewiesen. So würden viele Frauen nach zwei Jahren Pflegezeit vor der Wahl stehen, ob sie zu einem geringeren Lohn weiterarbeiten oder sich ganz der Pflege hingeben wollen. Das wird Frauen dazu verleiten, aus Verantwortungsbewusstsein für ihre Angehörigen ihre Karriere aufzugeben – qualifizierte Frauen mit Berufserfahrung würden unter dem Druck ihres Gewissens hinter den Herd wandern.

Und nicht zuletzt geht das Modell von zwei Jahren Teilzeitarbeit mit eingeräumter Zeit für die Pflege an der Realität vorbei. Die Pflegebedürftigen wären immer noch den halben Tag alleine in der Wohnung. Die Pflegenden würden unter der Doppelbelastung von Berufsleben und Pflege-Alltag stehen. Das kann dazu führen, dass sie beiden Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, dass sie bei der Arbeit erschöpft und unkonzentriert sind und dass sie wegen der Überforderung nicht auf die zu betreuende Person eingehen können. Bereits heute werden viele durch die Pflege der Familienangehörigen selbst zum Pflegefall.

Das neue Pflegezeit-Modell ist eine Sackgasse, welche die Gesundheit der Pflegenden wie der Pflegebedürftigen gefährdet. Anstatt die Bedingungen für die professionelle Pflege zu verbessern, würde der Vorschlag der Familienministerin Schröder dazu führen, dass qualifizierte Frauen der Wirtschaft entzogen und ihre Karrieren beendet würden. Das wäre ohne Zweifel ein Verlust für alle Beteiligten.

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Pflege-Weiterentwicklungsgesetz
https://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/kritik-an-schroeders-pflege-plan/

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